Rettet die Mur
Euopean pond turtle, "Kopacki Rit" Nature Park (HR), © by Mario Romulic & Drazen Stojcic, www.romulic.com
White-tailed eagle in nest, © by Mario Romulic
Mura River in Croatia, © by Miklos Toldi
White-tailed Eagle in Kopacki Rit (HR), © by Mario Romulic & Drazen Stojcic, www.romulic.com

Hintergrund

Reiches Natur- und Kulturerbe

Er gehört zu den faszinierendsten und artenreichsten Flusslandschaften unseres Kontinents: Der sogenannte „Amazonas Europas“, der 700
Flusskilometer von Mur, Drau und Donau umfasst und fünf Staaten verbindet: Österreich, Slowenien, Ungarn, Kroatien und Serbien.

Die drei Flüsse und ihre Auen schlängeln sich durch eine ursprünglich erhaltene Natur- und Kulturlandschaft: Am 15. September 2021 ist diese Region zum ersten Flussschutzgebiet der Welt erklärt worden, das mit rund einer Million Hektar fünf Länder umfasst und ein Symbol der Einheit bildet – als grenzüberschreitender UNESCO-Biosphärenpark „Mur-Drau-Donau“.

Trotz vielfältiger menschlicher Eingriffe in der Vergangenheit ist diese Flusslandschaft noch reich an Lebensräumen, die andernorts längst verschwunden sind: Riesige Auwälder, Flussinseln, Schotter- und Sandbänke, Seiten- und Altarme beherbergen eine Vielzahl gefährdeter Arten. Dazu zählen die zarte Zwergseeschwalbe ebenso wie der majestätische Seeadler, der in den Mur-Drau-Donau-Auen seine europaweit höchste Dichte an Brutpaaren erreicht. Mehr als 250.000 Wasservögel  nutzen die Flüsse jährlich als Rast- und Nahrungsplätze.

Auch Biber, Fischotter und der fast ausgestorbene Glattdick – eine Donaustörart – stehen für die bemerkenswerte biologische Vielfalt der Region.

13 Schutzgebiete unterschiedlicher Größe und Kategorie bilden ein Netzwerk entlang der Flüsse. Darunter sind der Naturpark „Kopački Rit“
beim Donau-Drau-Zusammenfluss, der Regionalpark „Drau-Mur“ in Kroatien, das Naturreservat „Gornje Podunavlje“ in Serbien, der Nationalpark „Donau-Drau“ in Ungarn sowie zahlreiche Natura-2000-Gebiete in Slowenien und Österreich.

Protected areas network, © by WWF
Protected areas network, © by WWF

Die ausgedehnten Fluss- und Aulandschaften sind nicht nur für den Erhalt der Artenvielfalt wichtig. Sie stellen auch seit jeher die Lebens-grundlage der Menschen vor Ort dar. Außerdem sichern natürliche Flüsse günstige Grundwasserbedingungen und erhöhen die Selbstreinigungskraft des Wassers – beides unabdingbare Voraussetzungen für sauberes Trinkwasser, gesunde Wälder und nachhaltige Landwirtschaft. Den Menschen dienen die Flüsse und Auen als natürlicher Hochwasserschutz sowie als attraktiver Ort für Freizeitaktivitäten wie Baden, Angeln und Kanufahren.

Das Kulturerbe der Region zeugt von einer bewegten Vergangenheit, in der sich Menschen und Kulturen aus Ost und West begegneten. Das
Osmanische Reich und das der Habsburger spiegeln sich in der Architektur und der Bevölkerung vieler alter Städte und Dörfer wider. So leben in der kroatischen Region Baranja oder der serbischen Vojvodina auch Nachfahren von Österreichern, Tschechen oder Deutschen.

Der "Amazonas Europas" ist in Gefahr

Obwohl sich die Regierungen für den strengen Schutz von Mur, Drau und Donau ausgesprochen haben, sind die Naturwerte dieser Flüsse noch nicht gesichert. Laufende und geplante Regulierungen natürlicher Flussabschnitte, Schotter- und Sandbaggerungen aus dem Flussbett und neue Wasserkraftwerke bedrohen das ökologische Gleichgewicht, die Artenvielfalt und die Trinkwasserversorgung.

Die Begradigung und Ausbaggerung natürlicher Flussabschnitte von Kroatien, Ungarn und Serbien widerspricht sowohl den EU-Gesetzen als auch internationalen Umweltstandards. Vordergründig einer verbesserten Schifffahrt bzw. dem Hochwasserschutz dienlich, sind diese – fachlich nicht begründbaren – überholten Maßnahmen ausschließlich den Profitinteressen der Wasserbaulobbys geschuldet. Die Umwandlung natürlicher Flüsse in einförmige Kanäle verursacht verheerende Umweltschäden: Die Maßnahmen führen zur Eintiefung des Flussbettes und schneiden dadurch Feuchtgebiete und Auwälder von der Wasserzufuhr ab. Wichtige Flusslebensräume für bedrohte Tierarten werden zerstört. So  schrumpfte die Uferschwalben-Population an der Drau in betroffenen Gebieten von 13.000 Brutpaaren im Jahr 2005 auf 3.000 im Jahr 2010.

Auch die wirtschaftlichen Schäden eines verantwortungslosen Flussmanagements sind nicht von der Hand zu weisen: Ein sinkender Grundwasserspiegel lässt die Böden, also auch die Auwälder und somit die Laichgründe der Fische austrocknen und gefährdet die Trinkwasser-versorgung. Außerdem erhöht sich das Hochwasserrisiko.

Die geplanten flussbaulichen Eingriffe bedrohen vor allem die Donau und die Drau im Grenzgebiet zwischen Kroatien, Serbien und Ungarn. Insgesamt stehen 50.000 Hektar natürlicher Flusslandschaft auf dem Spiel. Ausgerechnet die Kernzone des zukünftigen Biosphärenparks im Naturpark „Kopački Rit“ soll zerstört und in einen monotonen Kanal verwandelt werden. Auch Wasserkraftwerksprojeke an der Mur in Slowenien und der Drau in Kroatien bedrohen den „Amazonas Europas“.